Kiefer anspannen, Stirn in Falten legen und Mundwinkel nach unten ziehen. Ich gebe es zu, seit November trage ich es auch manchmal: Ein Pendlergesicht. Es ist relativ anstrengend für die Gesichtsmuskulatur, aber Pendeln ist ja auch kein Smartphonewischen. Man sitzt oder steht an einem Ort und wäre gerne an einem anderen. Wenn die Sonne scheint, dann kann man sich ärgern, weil man nicht draußen sein kann. Wenn es regnet und kalt ist, kann man sich ärgern, weil man gleich wieder dorthin muss. Beide Gefühlsregungen führen zu schlechter Laune. Die Anwesenheit anderer Pendler ebenfalls. Sie sind zu laut beim Telefonieren, niesen und husten, blockieren mit ihren Taschen Sitzmöglichkeiten und rempeln beim Treppe hinaufsteigen. Das alles sind Gründe für das besagte Pendlergesicht. Natürlich gibt es tolle Tricks, sich dagegen zu wehren: lächeln, lesen oder Musik hören.
Aber wenn ich ehrlich mit mir bin, sind das alles nur Ablenkungsmanöver. Nach kurzer Zeit, spätestens wenn die Durchsage kommt, dass der Zug Verspätung hat oder der Sitznachbar anfängt laut Kaugummi zu kauen verfliegt alle Entspannung: Das Pendlergesicht ist zurück.